Artikelserie Elektroauto-Batterien: Warum die Vorkonditionierung so wichtig ist

Die Vorkonditionierung heizt oder kühlt die Batterie in den fürs Laden optimalen Temperaturbereich. Ziel: kürzere Ladezeiten, längere Lebensdauer des Speichers.

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Elektroauto Batterie

Gute Batteriesysteme haben aufwendige Kühl- und Heizkreisläufe. Billige Elektroautos regeln die Temperatur allein über die Software; sie reduzieren also die Ladegeschwindigkeit teilweise radikal, wenn es zu warm oder zu kalt ist.

(Bild: Renault)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

(This article is also available in English)

Über viele Jahrzehnte stand bei der Weiterentwicklung des Antriebsstrangs in Autos der Motor im Fokus. Mit der Umstellung auf den batterieelektrischen Antrieb verschiebt sich das, denn nun steht die Batteriezelle im Mittelpunkt des Interesses. Global werden aktuell riesige Summen investiert, um hier Fortschritte zu erreichen. Energiedichte, Haltbarkeit, Ladeleistung und vor allem die Kosten sind es, die optimiert werden müssen, wenn der batterieelektrische Antrieb überall auf der Welt eine Chance haben soll.

In einer Artikelserie wollen wir zeigen, wo wir heute stehen und wohin die Entwicklung geht. Den politischen Rahmen hat die Europäische Union gesetzt: Ab 1. Januar 2035 dürfen ausschließlich Pkw neu zugelassen werden, die keine direkten CO₂-Emissionen haben. Nach heutiger Einschätzung werden das weitestgehend batterieelektrische Autos sein. Weil die Industrie nicht einfach ein- und ausgeschaltet werden kann, wird es in den knapp zwölf Jahren bis zum Stichtag einen kontinuierlichen Hochlauf geben.

Schnell weg: Beim Zwangsstopp im Ladepark will niemand zu viel Zeit verlieren. Das ist ohnehin unerwünscht, weil die starken DC-Säulen an den Autobahnen zu Stoßzeiten ausgelastet sind. Elektroautos können die maximale Ladeleistung und damit die höchste Ladegeschwindigkeit aber nur erreichen, wenn die Zellen in der Traktionsbatterie im idealen Temperaturfenster sind. Tesla war Vorbild für eine Methode, die inzwischen von vielen Herstellern übernommen wurde: Die automatische und gezielte Vorkonditionierung fürs DC-Laden auf Langstrecken.

Wenn die Reichweite für die Zielführung nicht groß genug ist, berechnet das Navigationssystem die besten Haltepunkte entlang der Strecke und zeigt an, wie hoch der Ladestand bei der Ankunft ist. Die Traktionsbatterie wird gezielt für den Stopp gekühlt oder geheizt, je nach aktueller Notwendigkeit.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Ein gutes Elektroauto berechnet für eine Route, die länger ist als die Reichweite, die optimalen Ladestopps. Das Navigationssystem zeigt an, wo entlang der Zielführung geladen werden soll, mit welchem SOC (für State Of Charge, also Stand der Batterieladung) bei Ankunft zu rechnen ist und wie weit aufgeladen werden muss, um sicher anzukommen. Auch das hat Tesla vorgemacht. Diese Integration von Ladestopps in die Routenführung sollte darüber hinaus so kalkuliert sein, dass der Verlauf der Ladekurve berücksichtigt wird: Viele Elektroautos können bei niedrigem SOC besonders viel Leistung aufnehmen; bei einem höheren Ladestand nimmt die Ladeleistung ab.

Vorkonditionierung bedeutet, dass die Traktionsbatterie vor der Ankunft an der DC-Säule geheizt oder gekühlt wird - und zwar auf den Punkt. Schließlich kostet zum Beispiel das Aufheizen im Winter elektrische Energie, die selbstverständlich bezahlt werden muss. Der Nutzen ist aber so groß, dass niemand darauf verzichtet, der es einmal ausprobiert hat: Gerade bei großer Kälte kann die Ladeleistung ohne Vorkonditionierung radikal einbrechen. Außerdem ruiniert es die Dauerhaltbarkeit der Zellen, wenn bei niedrigen Temperaturen schnell geladen werden soll.

Batterien für Elektroautos

Wo genau der beste Bereich ist, hängt von der Zellchemie ab. Lithium-Ionenzellen mit einer Kathodenmischung aus Nickel, Mangan und Kobalt (NMC) fühlen sich bei ungefähr 20 bis 25 Grad wohl. Lithium-Eisenphosphatzelle (LFP) dagegen benötigen eher 40 Grad, um optimal zu funktionieren, und unterhalb des Gefrierpunktes können sie praktisch nicht laden. Traktionsbatterien mit LFP-Zellen, wie sie in der Grundversion des Tesla Model 3 oder des MG4 zu finden sind, nutzen unter solchen Bedingungen den Strom zu Beginn des Ladens allein, um aufzuheizen. Umso wichtiger ist eine automatische Vorkonditionierung. Im Winter kann es im Extremfall vorkommen, dass die Innentemperatur bei gleitender Fahrweise sogar sinkt. Das Gegenteil wäre eine Fahrweise mit wechselnder Geschwindigkeit und schwerem Stromfuß im Sommer – dann ist die Kühlfähigkeit der Traktionsbatterie gefragt.

Ein Negativbeispiel ist der Subaru Solterra (Test): Eigentlich soll er bis zu 150 kW laden können. Diese Ladekurve zeigt, dass er bei niedrigem Batteriestand im Wintertest zu kalt war und weit unter seinen Möglichkeiten bleibt. Die Zwangspause verlängert sich unnötig. In dieser Preisklasse wäre die automatische Vorkonditionierung lediglich ein Softwarefeature.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Das Temperaturmanagement in den Traktionsbatterien moderner Elektroautos ist aufwendig. Eine aktive Heizung und Kühlung ist die Grundvoraussetzung. Auch das Heat Scavenging gehört inzwischen dazu: Die Abwärme der Elektromotoren oder der Leistungselektronik wird genutzt, um die Effizienz zu steigern. Ein hochwertiges Elektroauto hat mehrere Heiz- und Kühlkreisläufe, die getrennt voneinander geregelt werden können.

Die automatische Vorkonditionierung ist trotzdem nicht bei allen Elektroautos eingebaut. Was bei Tesla, BMW, Mercedes und Porsche serienmäßig ist, gibt es bei den auf dem MEB (Modularer Elektrifizierungs-Baukasten) basierenden Modellen des Volkswagen-Konzerns wie dem gerade überarbeiteten ID.3 gar nicht. Stattdessen schaltet sich bei einer Batterietemperatur von unter einem Grad grundsätzlich die Heizung an, bis mindestens 1,5 Grad erreicht sind. Eine starre und limitierte Regelung. Im Kompaktsegment sind die Unterschiede groß; ein Renault Megane E-Tech etwa hat alle Funktionen von der Routenführung mit Integration der Ladestopps bis zur Vorkonditionierung.

Im Kompaktsegment gibt es die automatische Vorkonditionierung bisher nur im Renault Megane E-Tech. Ein Volkswagen ID.3 hat eine solche Regelung nicht.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

BMW geht inzwischen noch einen Schritt weiter: In iX, iX3 und iX1 gibt es zum neuen Modelljahr eine manuelle Vorkonditionierung als Alternative zur automatischen. Hintergrund ist, dass nicht jeder die Routenführung benutzen will oder zum Beispiel einen Stamm-Ladepark hat, zu dem er gerne fährt. Auf Wunsch kann im Zentralmenü die Vorkonditionierung angeschoben werden. Je nach Innentemperatur fängt die Batterie mit dem Heizen oder Kühlen an. Ein Richtwert für die Vorkonditionierung ist eine Viertelstunde. Die manuelle statt der automatisch berechneten Vorkonditionierung kann niemals perfekt sein, es ist aber offensichtlich, dass ein geringerer Abstand von der Idealtemperatur bereits einen Fortschritt bedeutet. Bei Mercedes gibt es zwar die manuelle Option nicht. Wer unbedingt will, kann die automatische aber abschalten.

Bei teuren Elektroautos ist die automatische Vorkonditionierung selbstverständlich. Bei BMW iX, iX3 und iX1 gibt es zusätzlich die Option, die Vorkonditionierung manuell anzuschieben. Das ist in dieser Form einmalig.

(Bild: BMW)

Die manuelle Vorkonditionierung sollte nicht verwechselt werden mit dem, was bei vielen Herstellern Wintermodus heißt: Bei den Elektroautos von Hyundai etwa wird die Innentemperatur der Traktionsbatterie über fünf Grad plus gehalten, wenn der Ladestecker in Säule oder Wallbox hängt. Ist dagegen der Wintermodus aktiviert, erfolgt die Aufheizung auch mit elektrischer Energie aus der Batterie während der Fahrt.

Hyundai Ioniq 5 und 6 haben seit einiger Zeit zusätzlich auch eine automatische Vorkonditionierung. Das war zu Beginn der Auslieferung des Ioniq 5 nicht der Fall und führte bei vielen Nutzern zu Frustrationen: Der Ioniq 5 ist mit einer Werksangabe von 18 Minuten für den Ladehub von zehn auf 80 Prozent SOC eins der schnellsten Elektroautos überhaupt. Bei Kälte war jedoch bisher oft nur ein Teil dieses Potenzials nutzbar. Ein Mangel, der nun abgestellt ist.

Es sollte auch nicht übersehen werden, dass preisgünstige Elektroautos nur wenige oder keines dieser Features haben. Das verlängert die Ladezeit und verkürzt die Dauerhaltbarkeit. Käufer, die selten oder nie lange Strecken fahren, werden eine automatische Vorkonditionierung kaum vermissen. Für alle anderen ist sie in Verbindung mit einer Routenführung inklusive Berechnung der Ladestopps das Mindestmaß.

(mfz)