Honda XL 750 Transalp im Test: Alpentraumhaft

In den Alpen hat sich die Honda XL 750 Transalp ihrer legendären Vorgängerin auf modernem Niveau würdig gezeigt. Ihr Preis-Leistungs-Verhältnis ist unschlagbar.

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Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Als sich die Gerüchte verdichteten, dass Honda die Transalp wiederauflegen wollte, geriet die große Fangemeinde der legendären Reiseenduro in helle Aufregung. Die XL 600 V Transalp hatte sich nach ihrem Erscheinen 1987 zwar nicht durch ihre Optik (an eine Enduro mit Verkleidung musste man sich erst noch gewöhnen), aber durch ihre extreme Zuverlässigkeit einen sehr guten Ruf erarbeitet. Die Transalp kam fast überall durch und hielt ewig, Exemplare mit über 200.000 km auf dem Tacho waren keine Seltenheit. Nachdem die neue XL 750 Transalp dann im November 2022 auf der EICMA in Mailand präsentiert worden war, dürften einige spontan den nächsten Honda-Händler aufgesucht und sie ohne einen Meter Probefahrt bestellt haben.

Bei der XL 750 Transalp hat Honda Wert daraufgelegt, dass das Design diesmal auf Anhieb gefällt. Zugegeben, die Front mit dem leicht dreieckigen Scheinwerfer erinnert an die bekannte, bereits gutaussehende CB 500 X. Die Gestaltung der Verkleidung, des Tanks und der Sitzbank gelang bei der Transalp sogar noch besser. Sie besticht durch schnörkellose, einfach Formen und Schwünge. Die XL 750 Transalp ist auf Anhieb als Enduro zu erkennen, aber ohne in einen martialischen Rallye-Stil abzudriften. Honda bietet sie in Schwarz und Anthrazit an, doch die meisten werden sie wahrscheinlich in "Ross White" (Tricolour) ordern, denn schon die erste Transalp trug exakt diese weiß-blau-roten Lackierung mit blauer Sitzbank und goldfarbenen Felgen.

Honda XL 750 Transalp (7 Bilder)

Honda bringt endlich die Nachfolgerin der einst erfolgreichen Transalp. Die neue XL 750 Transalp besticht durch schickes Design und gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.
(Bild: Ingo Gach)

Es gab zwar im Vorfeld einige Nörgler, die kritisierten, dass die neue Transalp keinen V2-Motor mehr hat, aber der 755-cm3-Reihenzweizylinder läuft derart gut, dass die kritischen Stimmen rasch verstummten. Er wurde unverändert von der ebenfalls neuen Honda CB 750 Hornet übernommen (sie erschien vor wenigen Monaten) und weiß in jeder Hinsicht zu gefallen, nicht zuletzt im Sound. Der Reihenzweizylinder hat einen Hubzapfenversatz der Kurbelwelle von 270 Grad, wie es in den letzten Jahren bei vielen Herstellern in Mode gekommen ist. Dadurch entsteht eine Zündfolge wie bei einem V2-Motor. Bei keinem Modell tönt das so gut wie bei der Transalp. Dabei achtet Honda darauf, nicht unangenehm aufzufallen, das Fahrgeräusch erzeugt 75 dB(A).

Schon meine erste Kontaktaufnahme mit der Transalp erfreut mit einer relativ niedrigen Sitzhöhe von 850 mm, was für Staturen ab ca. 1,75 m aufwärts einen sicheren Stand bedeutet. Ein entspannter Kniewinkel und der Aluminiumlenker in richtiger Höhe tragen zur komfortablen Beförderung bei. Die Sitzbank ist vorne schmaler geschnitten, um dem Enduristen das Stehendfahren im Gelände zu erleichtern. In Richtung der Stufe zum Soziusabteil verbreitert sich die Bank, um auf langen Etappen mehr Komfort zu bieten. Der Bremshebel ist einstellbar, der Kupplungshebel hingegen nicht, aber das ist in der Preisklasse auch nicht zwingend zu erwarten.

Das Cockpit besteht aus einem gut durchdachten TFT-Display. Es ist nicht einfach, die vielen, heutzutage üblichen Informationen auf kleinem Raum zu versammeln, ohne dass es unübersichtlich wird. Honda rückt die Geschwindigkeitsanzeige groß ins Zentrum, darum spannt sich im Halbkreis der Drehzahlmesser und parallel dazu die Tankanzeige. Rechts wird der ausgewählte Fahrmodus angezeigt inklusive seiner vier einstellbaren Parameter sowie die Ganganzeige. Am unteren Bildschirmrand sind die nicht ganz so dringend benötigten Infos wie Gesamtkilometerzahl, Durchschnittsverbrach, Tageskilometer, Datum usw. klein dargestellt.

Ganz oben wird noch Uhrzeit und Kühlwassertemperatur ebenfalls in nicht gerade hoher Auflösung angezeigt. Die Warnanzeigen finden sich links und rechts vom TFT-Display im schwarz unterlegten Teil. Ich hatte auf über tausend Kilometern keine Probleme, die gewünschte Information mit einem kurzen Blick zu erfassen. Als vorbildlich erweisen sich die Bedienungselemente am Lenker. Das streng logisch aufgebaute Cockpit-Menü ist über einen Vier-Wege-Joystick bedienbar und die fünf Modi "Standard", "Sport", "Rain", "Gravel" und "User" werden über eine eigene Taste ausgewählt.

Der Motor startet stets willig und zieht vom Stand weg gut. Die seilzugbetätigte Anti-Hopping-Kupplung erweist sich als erfreulich leichtgängig und die Gänge lassen sich sauber schalten. Der Motor verträgt auch den sechsten Gang bei Tempo 50, ohne dass er anfängt zu ruckeln. Viele Reiseenduros machen es dem Fahrer im Stadtverkehr wegen ihres hohen Gewichts und ihrer mangelnden Handlichkeit nicht leicht. Die Honda Transalp kann in dem Punkt jedoch glänzen und bereits in der City ihren Trumpf ausspielen: 208 kg Gewicht mit vollem 17-Liter-Tank.

Auf ihr lässt es sich im Vergleich zu den Fünf-Zentner-Plus-Kolossen wie auf einem Mountainbike durch den Verkehr wuseln, obwohl ihr Radstand von 1560 mm nicht gerade überlegene Handlichkeit verspricht. Der Rahmen der Transalp besteht aus Stahl und nicht aus Aluminium, wiegt aber trotzdem nur 18,3 kg. Intelligenter Leichtbau also – ohne teures und auf Reisen kaum reparierbares Aluminium.

Der eigentliche Test steht der XL 750 Transalp gemäß ihrer Namensgebung in den Alpen bevor. Um es vorwegzunehmen: Sie hat ihn mit Bravour bestanden. Dabei war ich im Vorfeld wegen ihres nicht einstellbaren Fahrwerks – Gabel und Federbein können lediglich in der Vorspannung variiert werden – eher skeptisch. Doch die Transalp ist ein Musterbeispiel dafür, dass eine gelungene Grundabstimmung für eine gute Performance des Fahrwerks ausreicht. Die Upside-down-Gabel von Showa arbeitet eher straff und doch sensibel, auch das Federbein mit Pro-Link-Umlenkung erwirbt sich gute Noten.

Selbst bei sehr schnell gefahrenen Kurven mit viel Schräglage hält die Honda sauber die Bahn. Nicht einmal Serpentinen mit zerlöchertem Belag wie Schweizer Käse können sie aus der Ruhe bringen. Das Gerücht, die Transalp würde in Kurven mit den Fußrasten aufsetzen, kann ich nicht bestätigen. Vermutlich handelte es sich bei den Fahrern um Schwergewichte, die das Federbein nicht vorgespannt hatten.

Der 92 PS starke Zweizylinder ist ein Quell steter Freude. Selbst im Standard-Modus spricht er schon direkt an, um im Sport-Modus dann auf richtig scharf zu schalten. Übrigens steht auch in den Modi "Rain" und "Gravel" die volle Leistung parat, wird aber deutlich zaghafter freigegeben. Ab 4000/min legt der Motor noch mal kräftig zu und zeigt ein gutes Drehvermögen, das erst am roten Bereich bei 10.000/min endet. Serpentinen werden zum atemberaubenden Erlebnis, weil die Honda sich locker abwinkeln lässt und mit Vehemenz aus der Kurve eilt.