Test BMW i4 M50: Elektroauto lässt Tesla Model 3 hinter sich

BMW greift mit dem i4 das Model 3 mit den typischen Stärken der Marke an. Bei Tesla darf man sich auf harte Konkurrenz einstellen, denn der i4 ist gelungen.

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BMW i4

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Lesezeit: 7 Min.
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  • Christoph M. Schwarzer
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Der BMW i4 M50 beschleunigt nicht. Er springt auf ein höheres Geschwindigkeitslevel. Katapultstart, sagt BMW treffend. 400 kW (in alter Währung: 544 PS) Leistung und 795 Nm Drehmoment pressen die Passagiere mit Macht in M-Sportsitze. Käufer sollten neben den mindestens 70.800 Euro Selbstdisziplin und menschliche Reife mitbringen. Was den i4 M50 aber ausmacht, ist nicht die brachiale Kraft auf dem Drag Strip. Geradeaus beschleunigen können andere Elektroautos auch. Vielmehr ist es die gekonnte Art, mit der BMW das Fahrwerk abgestimmt hat. Das ist wirklich einmalig. Die Präzision beim Einlenken in schnelle Kurven sowie das saubere Feedback von Lenkung und Reifen in jeder Fahrsituation sind nicht einfach besser als bei der Konkurrenz, sondern überlegen.

BMW erfüllt mit dieser Abstimmung das Markenversprechen der Freude am Fahren. Das i4 Gran Coupe ist zuerst ein Auto und dann ein Elektroauto, und zwar ein richtig gutes. Im Alltag cruist man gemütlich dahin, denn auch der Federungskomfort ist feinfühlig. BMW hat sich von der ursprünglichen Idee, dass batterieelektrische Pkw ein anderes, spezielles Purpose Design haben müssten, verabschiedet. Stattdessen setzt man wie zuvor beim iX3 auf eine konventionelle Gestaltung. Wie beim SUV zeigt sich, dass die Fähigkeiten als Elektroauto nicht im Geringsten darunter leiden.

Der Qualitätseindruck bei Verarbeitung und Materialauswahl ist sehr gut. Der BMW ist in dieser Hinsicht nochmals besser als ein Polestar 2 (Test), und das will etwas heißen. Ein Tesla Model 3 fällt gegenüber beiden billig ab. Die Geräuschdämmung im i4 ist wirksam, die rahmenlosen Scheiben schließen exakt, und wie immer lässt sich ein BMW auch am dezenten Geruch der Lederausstattung erkennen. Die Kohlefaserapplikationen sind echt, und für die Lautstärke gibt es einen Drehregler – schön und praktisch. Die eingangs genannten M-Sportsitze (990 Euro Aufpreis) sind nicht nur sportlich, sondern auch bequem. Das Curved Display verläuft wie der Name es sagt in einem eleganten Schwung.

Was aber kann der BMW i4 M50 als Elektroauto? Power und Traktion ohne Ende, das ist offensichtlich. Das können andere auch. Anders sieht es beim Feinschliff aus. Hier zeigt sich die Erfahrung, die BMW unter anderem mit i3 und i8 sammeln konnte. Ein Beispiel dazu: Der i4 hat ein Heiz- und Kühlsystem mit drei Kreisläufen inklusive effizienter Wärmepumpe, das die Batterie, den Antrieb und den Innenraum auf der jeweiligen Wohlfühltemperatur hält. Sollte es extrem kalt sein, kommen zwei Durchlauferhitzer mit zusammen 9 kW Leistung hinzu.

Im Testzeitraum waren die Außentemperaturen tagsüber einstellig und nachts frostig, und der BMW wurde unter freiem Himmel geparkt. Kein Problem, es wird schnell warm für die Menschen – und auch für die Batterie: Wer eine längere Strecke plant, sollte das Navigationssystem mit Routenplaner benutzen. Der integriert (nach der überflüssigen Bestätigung) die notwendigen Ladestopps und konditioniert die Zellen vor. Die Heizung für die Batterie läuft also nicht permanent, sondern gezielt so, dass an der Säule die ideale Starttemperatur zum Schnellladen vorhanden ist. In der Spitze waren jederzeit knapp 210 kW Ladeleistung ablesbar. So muss es sein, und damit funktioniert der Routenplaner bei BMW so gut wie bei Mercedes, Porsche und Tesla, dem Vorbild für dieses Design.

Es ist nur ein Detail, aber wie im iX3 fiel auch beim i4 die solide und schlüssig gebaute Abdeckklappe für die CCS-Ladebuchse auf. Kein lappiges Gummi, das an einem Band herunterhängt, kein Rüssel, der sich über den AC- und DC-Anschluss stülpt. Stattdessen eine doppelte Klappe.

Auf höchstem Niveau liegen auch die Fahrassistenzsysteme. Die automatische prädiktive Rekuperation mit einer Verzögerungsleistung von bis zu 195 kW ist ein echtes Komfort-, Sicherheits- und Effizienzplus. Der i4 verlangsamt vor engen Kurven, wenn ein vorausfahrendes Fahrzeug oder eine rote Ampel erkannt wird. Sonst gleitet er nahezu widerstandslos. Sie wollen das nicht? Es lässt sich so ziemlich alles an- und abschalten. Das gilt von der automatischen Identifikation von Geschwindigkeitsbegrenzungen und die Übernahme in den Tempomaten bis zum künstlichen Fahrgeräusch. Keine Lust darauf? Deaktivieren.

BMW i4 (13 Bilder)

Das BMW i4 M50 Gran Coupe ist neben i3, iX3 und iX das vierte batterieelektrische Auto der Marke. Die Kraft ist brachial: 400 kW Motorleistung, 795 Nm Drehmoment.

Es lohnt sich allerdings, wenn man die Fahrassistenten aktiviert lässt. So bietet BMW auch eine Rotlichterkennung an. Bei Anlagen, die alleinstehen, wie zum Beispiel in einer Ortsdurchfahrt, arbeitet das System bereits verlässlich und stoppt den i4. Wenn, wie in der Stadt, etliche Lichter nebeneinander hängen, verlangt es eine Bestätigung durch den Fahrer. Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie sich diese Sicherheitshilfen jedes Jahr kontinuierlich in kleinen Schritten verbessern und ausweiten.

Trotz nicht immer zurückhaltender Fahrweise lag der Durchschnittswert bei 22,6 kWh auf 100 Kilometer. Hieraus ergibt sich bei einem verfügbaren Energieinhalt von 80,7 kWh (Bruttowert 83,9 kWh) eine Reichweite von 357 Kilometern. Im Überlandbetrieb lag der Verbrauch bei 17,4 kWh (=464 km) und in fließendem Stadtverkehr bei 16,6 kWh (486 km). Aber Achtung, auf Ultrakurzstrecken tritt ein, was für alle Autos gilt: Dann schießt der Verbrauch nach oben weit über 30 kWh hinaus.

Bei Richtgeschwindigkeit lag der Wert bei Nässe bei 25,8 kWh/100 km, woraus 313 km resultieren. Im einwöchigen Testzeitraum war der Verkehr durchgehend stark, sodass der i4 auch auf Autobahnetappen mit Sprints auf 200 und mehr km/h nicht über 30 kWh/100 km getrieben werden konnte, was bei freier Strecke sicher möglich wäre. So oder so lässt sich sagen, dass der BMW i4 M50 angesichts des Potenzials ein effizientes Elektroauto ist. Das dürfte unter anderem ein Ergebnis der guten Aerodynamik von cW 0,25 mal 2,33 Quadratmeter Stirnfläche gleich cA 0,58 sein.

Der Wendekreis von 12,5 Meter etwa macht den BMW beim Rangieren unhandlich. Der Kofferraum ist dank Heckklappe leicht zugänglich, aber mit 470 Litern nicht gerade üppig. Wenn der i4 leichter wäre, würde er noch mehr Fahrspaß bereiten. Der Preis ist sehr hoch. Selbst die Basisvariante i4 eDrive40 kostet mindestens 59.200 Euro, und die Optionsliste ist lang. Das scheint die Interessenten nicht abzuschrecken: Die Lieferzeit beträgt wegen der hohen Nachfrage bis zu einem Jahr, und der russische Angriff auf die Ukraine führt zu neuen Unwägbarkeiten bei den Lieferketten und folglich bei den Wartefristen.

BMW hat mit dem i4 M50 ein exzellentes Elektroauto gebaut. Er ist das Angebot für alle, die nicht einfach nur auf die Verbrennung fossiler Ressourcen verzichten wollen, sondern zugleich Wert auf ein erstklassiges Fahrzeug legen. Diesen Gegenwert lässt sich BMW entsprechend vergüten. Die Aussicht auf weitere Elektroautos in dieser Qualität aus Bayern stimmt allerdings hoffnungsfroh.

Der Hersteller hat den Testwagen kostenfrei zur Verfügung gestellt. Der Autor hat die Fahrenergiekosten bezahlt.

(mfz)