Elektromobilität: Drei Megawatt Ladeleistung für schwere Elektro-Lkw

Nur noch 15 Minuten Ladezeit für einen schweren Lkw strebt ein Projekt unter Leitung der Technischen Universität München an. Dazu nötig wären drei Megawatt.

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E-Lkw von MAN

MAN schätzt europäischen Strombedarf für Elektro-Lkw im Jahr 2030 auf 37 Terawattstunden pro Jahr.

(Bild: MAN)

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Inhaltsverzeichnis

Die Technische Universität München (TUM) steckt sich innerhalb seines Projekts zur Schnellladefähigkeit schwerer batterieelektrischer Lkw ein neues Ziel. Nur noch 15 Minuten Ladezeit strebt NEFTON (Nutzfahrzeugelektrifizierung für Transportsektor-optimierte Netzanbindung) nun an.

Das Projekt der TUM und Partnern aus der Industrie hat seit 2021 eine Schnelllademöglichkeit mit einem Megawatt und 45 Minuten Ladezeit entwickelt und rechnet mit deren Einführung ab 2024. Die für ein Drittel der Ladezeit erforderliche dreifache Strommenge von drei Megawatt erfordert allerdings radikal neue Lösungen in einigen Bereichen, wie die TUM schreibt.

Die TUM und ihre Partner wollen damit dem elektrischen Schwerverkehr Vorschub leisten und weist auf das Potenzial der Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs bei der Energiewende hin. Sie zitiert eine Untersuchung der Europäischen Umweltagentur, nach der etwa 27 Prozent der CO₂-Emissionen aus dem Verkehr in der EU 2019 allein durch den Schwerlastverkehr verursacht wurden.

Um möglichst viele Unternehmen von einer Elektrifizierung ihrer Flotten überzeugen zu können, genüge das Schnellladen mit einem Megawatt (MCS), wie es ab 2024 erwartet wird, noch nicht. Langstrecken und Schichtbetrieb erforderten kürzere Ladezeiten, wie sie erst mit einer Verdreifachung der Ladeleistung möglich werden.

Im seit vergangenem Jahr laufenden Forschungsprojekt soll nun herausgefunden werden, was es dazu braucht und wo die Flaschenhälse dieses Vorhabens liegen könnten. In dem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt soll dazu ein Prüfstand aufgebaut werden, in dem Ladevorgänge physisch, "vom Ladestecker bis zur Fahrzeugbatterie" ausprobiert werden können.

MCS-Anschluss an einem MAN-Lkw

(Bild: MAN)

Zwar könne MCS bald eine vollständige Aufladung für 300 bis 500 Kilometer Fahrstrecke schon während einer vorgeschriebenen Lenkpause von 45 Minuten ermöglichen. Enge Zeitpläne im Güterverkehr erlauben aber eigentlich keine zusätzlichen Stopps zum Laden der Akkus. Prof. Markus Lienkamp vom Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik an der TUM sagt, dass Zwischenladen für rund 15 Minuten das Zeitproblem lösen könnte, gibt jedoch zu bedenken, dass dazu drei Megawatt nötig wären und räumt ein: "Technologisch gesehen betreten wir hier völliges Neuland". Bei einem Megawatt und rund 800 Volt fließt ein Strom von 1250 Ampere. Drei Megawatt erfordern bei 800 Volt schon 3000 Ampere, schreibt die TUM.

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Warum 3000 und nicht – wie rechnerisch zu erwarten – 3750? Nach Rückfrage beim Entwicklerteam aufgrund einer Leseranfrage bekamen wir folgende Auskunft: Das seien alles noch genauer zu definierende "Bereiche" und die 3000 Ampere seien eine über eine angenommene Ladekurve gemittelte Prognose.

Einige Komponenten sind dafür nicht geeignet. Kabel beispielsweise müssten gekühlt werden. Das Projekt sieht sich daher mit Kühlmittel durchflossene oder umströmte Leiter an und untersucht Alternativen wie Stromschienen oder Lösungen für ein noch besseres Wärmemanagement. Sicherungen mit mechanischen Schaltern wären mit drei Megawatt ebenfalls überfordert, hier ist an Komponenten in Halbleiter-Bauweise gedacht.

Prof. Malte Jaensch vom Lehrstuhl für Nachhaltige Mobile Antriebssysteme der TUM spricht von umfassenden Neuerungen: "Wir werden für viele Komponenten entlang des Ladepfads neue Technologien einsetzen. In einigen Bereichen wissen wir heute noch gar nicht, wie diese aussehen werden. Hier bietet der neue Prüfstand ideale Bedingungen für die Entwicklung und Optimierung".

NEFTON nutzt dafür die Erfahrungen, die es seit 2021 bei der Entwicklung des Gesamtsystems für MCS sammeln konnte. Es umfasst die Fahrzeugkomponenten und die Ladetechnik bis ein Megawatt, die bereits eine aktive Kühlung des Kabels verlangt.

Als Aspekt für künftige Stromnetzarchitekturen spielte Bidirektionalität von Beginn des Projekts an eine Rolle. Sie kann Lastwagen als Energiespeicher für erneuerbare Energien nutzbar machen, die nicht regelmäßig Strom liefern. NEFTON denkt die Akkus auch als Zwischenspeicher zum Abfedern von Bedarfsspitzen für eine stabile Stromversorgung mit.

NEFTON wird betrieben vom Lastwagenhersteller MAN, dem Ingenieursdienstleister AVL, PRETTL Electronics, der Forschungsstelle für Energiewirtschaft, der Technischen Hochschule Deggendorf sowie dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) unter Leitung der Technischen Universität München. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Träger ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

(fpi)