Warum sich die Energiewende lohnt: Buchvorstellung von "Weltuntergang fällt aus"

An Szenarien, was mit der Klimaveränderung droht, mangelt es nicht. Hegenberg zeichnet in seinem Buch einen Weg, was wir ändern müssen und warum sich das lohnt.

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Buch: Weltuntergang fällt aus

(Bild: Jessica Franz-von Ahn)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Spätestens mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat das Thema Energieversorgung die Breite der gesellschaftlichen Debatte erreicht. Füllstände von Gasspeichern sind inzwischen Schlagzeilen wert, was sich zuvor wohl kaum einer vorstellen konnte. Dabei schwelt die Frage, wie wir uns künftig mit Energie versorgen können – und sollten – schon seit geraumer Zeit. Denn abgesehen von harten Leugnern des Klimawandels dürfte vielen längst klar sein: So geht es nicht mehr lange weiter. Jan Hegenberg zeichnet in seinem Buch "Weltuntergang fällt aus" einen Weg, wohin sich die Energieversorgung entwickeln könnte und warum es sich lohnt, ihn zu beschreiten.

Die Folgen des Klimawandels rücken näher, hierzulande deutlich zu erkennen an der zunehmenden Zahl von Extremwetterlagen. Lokale Katastrophen mögen aus dem kollektiven Gedächtnis rasch wieder verschwunden sein. Dennoch dürfte einer Mehrheit klar sein: Da verändert sich gerade etwas, und es wird auch Deutschland betreffen. Enorme Preissteigerungen bei Strom und Gas liefern einen ersten Vorgeschmack darauf, wie teuer es wird, weiterhin auf fossile Energieträger zu setzen. Wobei das natürlich nur die unmittelbaren Folgen sind. Es muss sich also etwas ändern, durch den Krieg in Europa noch schneller als es zuvor schon geboten gewesen war.

Denn zwei Dinge haben in den zurückliegenden Jahren schlecht bis gar nicht geklappt. Einerseits ist der Primärenergieverbrauch zu hoch, gerade in den Bereichen Mobilität und Wohnraumbeheizung. Beispiel Verkehr: Zwar ist in den zurückliegenden 30 Jahren der Spritverbrauch je Kilowatt zurückgegangen, doch die Ansprüche an Leistung und Fahrzeuggröße sind gestiegen. Bei allem Stöhnen über die hohen Kosten an der Tankstelle muss man festhalten, dass der Verbrauch beim Autokauf vielfach eine untergeordnete Rolle spielt.

Hegenberg bringt zwei Zahlen ins Spiel, die nachdenklich machen oder dies zumindest sollten: Allein in der EU verbrennen wir 10 Millionen Liter Palmöl im Verkehrssektor – jeden Tag! In der gleichen Zeitspanne verbrauchen wir global knapp 16 Milliarden Liter Rohöl. Mehr als 80 Prozent davon werden verbrannt. Zahlen, die man sacken lassen sollte, wenn es in einer Diskussion wieder einmal um Rohstoffe für Batterie und E-Motoren geht. Zumal sich diese recyceln lassen, denn es gibt einen Unterschied zwischen verbrauchen und gebrauchen. Falls es eines weiteren Argumentationsverstärkers für den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger brauchen sollte: 40 Prozent dessen, was täglich über die Weltmeere transportiert wird, sind Öl, Kohle und Gas.

Nachholbedarf haben wir ebenso der Dekarbonisierung des Primärenergiebedarfs. Geht es im gleichem Tempo weiter wie bisher, ist die Einhaltung des auch von Deutschland ratifizieren Pariser Klimaschutzabkommens nicht zu schaffen. Wir müssen schleunigst weg von fossilen Energieträgern, was für einen Industriestaat, der an diesen hängt wie ein Junkie an der Nadel, eine mächtige Herausforderung ist. Schließlich ist keinem geholfen, wenn wir uns wirtschaftlich so weit erledigen, dass uns anschließend die Kraft fehlt, die notwendige Wende auch zu schaffen.

Von der Quelle bis zum Rad setzt ein Verbrennungsmotor nur einen Bruchteil der Primärenergie in das um, wofür er eigentlich eingebaut wurde: Um ein Auto in Bewegung zu setzen. Ein elektrischer Antriebsstrang erledigt das ungleich effizienter. Und sein Energiebedarf lässt sich vergleichsweise einfach dekarbonisieren. Im Bild: VW Polo (Test)

(Bild: Pillau)

Es gibt allerdings ein paar Hoffnungsschimmer, die hin und wieder zu zaghaft beleuchtet werden. Strom lässt sich vergleichsweise einfach regenerativ erzeugen, und mit einer Umstellung beispielsweise vom Verbrennungs- zum Elektromotor sinkt der Primärenergiebedarf drastisch. Gleiches gilt für den Tausch der Ölheizung auf eine Wärmepumpe. Anders als von einigen darstellt, ist Deutschland auch keineswegs allein bei der Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energieträger. So baut China zwar neue Kohlekraftwerke, doch der Verbrauch an Kohle steigt seit Jahren wenigstens nicht weiter an. Global fließen in die Forschung, wie man von fossilen Energieträgern wegkommt, enorme Summen.

An düsteren Prognosen, was uns in den kommenden Jahren blüht, mangelt es wahrlich nicht. In zahlreichen Studien haben Wissenschaftler immer wieder die dramatischen Folgen des Klimawandels beschrieben. Jan Hegenberg geht einen anderen Weg. Er beschreibt in seinem umfangreich recherchierten Buch "Weltuntergang fällt aus", was auf dem Energiesektor passieren muss und warum darin vor allem Chancen liegen. Sensationell Neues fördert er dabei nicht zutage, wohl aber eine solide Basis in dieser Debatte. Dass sich der massenhafte Ausbau von erneuerbaren Energielieferanten, für den er im Kern plädiert, ökologisch lohnt, dürfte dabei kaum einen überraschen. Ausführlich legt Hegenberg dar, warum sich eine rasche Wende aber auch ökonomisch rentiert. Mit sprachlichem Witz räumt er dabei unter anderem auch die untoten Klassiker "Woher soll denn der ganze Strom kommen" und "Deutschland kann doch allein gar nichts ausrichten" ebenso geschickt ab wie das ewige Mantra "Aber Elektroautos brauchen doch so viele Rohstoffe …".

Bemerkenswert ist, dass Hegenberg fast ohne Häme für politisch Verantwortlichen der zurückliegenden Jahre auskommt. Angesichts einiger Bremser dürfte das für jemanden, der sich erkennbar tief ins Thema eingearbeitet hat, nicht immer einfach gewesen sein. Herausgekommen ist auch deshalb eine fundierte, lesenswerte Grundlage für alle, die sich in der Debatte jenseits von Extrempositionen argumentativ solide wappnen wollen.

Erschienen ist "Weltuntergang fällt aus" im Verlag Komplett-Media für 22 Euro. ISBN: 978-3-8312-0604-9

(mfz)